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Finanzgericht Köln , 15-K-290/10
Urteil vom 24.03.2011
Rechtskräftig
Geldwerter Vorteil wegen seltener Dienstwagen-Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur nach tatsächlicher Nutzung
Orientierungssatz:
Ein Zuschlag gem. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für die Nutzung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist nur für die tatsächlich durchgeführten Fahrten anzuwenden, wenn diese weniger als 15 Tage monatlich betragen, und dann nach Einzelbewertung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 0,002% des Listenpreises je Entfernungskilometer zu bewerten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die zutreffende Besteuerung der Dienstwagennutzung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Klägers.
Der Kläger ist von Beruf angestellter Unternehmensberater bei B, C-Straße … in D. Für seine Tätigkeit stand ihm während des gesamten Kalenderjahres ein Dienstwagen zur Verfügung. Der bis zum 02.08.2007 genutzte Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen E1 hatte unstreitig einen Bruttolistenpreis von 41.700 EUR; das für das restliche Streitjahr zur Verfügung stehende Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen E2 hatte einen Bruttolistenpreis von 88.400 EUR.
Beide Fahrzeuge nutzte der Kläger auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, allerdings wegen zahlreicher Dienstreisen lediglich an nachweislich 53 Tagen des Streitjahres (29 Fahrten bis zum 31.07.2007 und 24 Fahrten ab dem 01.08.2007), was zwischen den Beteiligten unstreitig ist (s. Bl. 82 d. FG-Akte und die Nachweise Bl. 38 ff. d. FG-Akte). Auf die Aufstellung des Klägers und seine Reisekostenabrechnungen wird Bezug genommen. Die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte betrug 3 km.
Der Kläger erklärte bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 445.670 EUR, wobei er den ursprünglichen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 466,15 EUR minderte. Diese Korrektur begründete er mit dem Wechsel von der pauschalen Besteuerung des geldwerten Vorteils zur Besteuerung nach den tatsächlich durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 04.04.2008 (VI R 85/04, BStBl II 2008, 887). Gemäß einer Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 23.01.2008 hatte dieser für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pauschal einen Betrag von 38 EUR monatlich (0,03 % von 41.700 EUR × 3 km) für den ersten Dienstwagen und ab August 80 EUR monatlich (0,03 % von 88,400 EUR × 3 km) als geldwerten Vorteil versteuert (s. Rb-Akte des Beklagten). Seiner Berechnung legte er einen Anteil von 0,002 % des jeweiligen Listenpreises, multipliziert mit der Entfernung von 3 km und den Tagen der tatsächlichen Nutzung des Pkws für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu Grunde.
Der Beklagte folgte der Rechtsansicht des Klägers nicht. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens, in dem der Kläger sein Begehren weiter verfolgte, änderte der Beklagte den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2007 zuletzt am 09.11.2009, aus hier nicht streitgegenständlichen Gründen. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.01.2010 wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Die vom Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 04.04.2008 entwickelten Rechtsgrundsätze, nach denen der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem Dienstwagen von der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten abhänge, für dessen Ermittlung eine Einzelbewertung je Fahrt mit 0,002 % des Listenpreises i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorgenommen werden müsste, würden von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nicht geteilt und dürften über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet werden. Insoweit werde auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.10.2008 (IV C 5-S 2334/08/10010, BStBl I 2008, 961) verwiesen.
Unter Beibehaltung seiner Rechtsauffassung hat der Kläger am 02.02.2010 hiergegen die vorliegende Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides, zuletzt geändert durch Bescheid vom 09.11.2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.01.2010 die Einkommensteuer 2007 unter der Maßgabe herabzusetzen, dass der Bruttoarbeitslohn auf 445.670 EUR vermindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung und das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.10.2008 (IV C 5-S 2334/08/10010, BStBl I 2008, 961).
Die Berichterstatterin hat mit Verfügungen vom 10.01.2011 und 02.03.2011 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 22.09.2010 (VI R 57/09, DStR 2010, 2627) seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 04.04.2008 nochmals bestätigt hat.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Gründe:
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.01.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -. Der Beklagte hat zu Unrecht die Besteuerung der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht nach der Anzahl der tatsächlich durchgeführten Fahrten vorgenommen.
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - der sich der Senat anschließt - gelten für die Beurteilung, ob eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG vorliegt, die Grundsätze, die nach § 9 Abs. 2 EStG in der in dem Streitjahr 2007 geltenden Fassung (siehe zur Verfassungswidrigkeit der Norm: Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.12.2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210) auf den Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte anzuwenden sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 04.04.2008 VI R 68/05, BStBl II 2008, 890 unter II.2. und VI R 85/04, BStBl II 2008, 887 unter II.1.a. jeweils m.w.N.).
Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist nur dann vorzunehmen, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen auch tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat. Denn nach dem Normzweck des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist der Zuschlag ein Korrekturposten zum - pauschalen - Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 2 EStG, der auch bei - unentgeltlicher - Überlassung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewährt wird. Für die Ermittlung des Zuschlags ist daher in gleicher Weise wie für den pauschalen Werbungskostenabzug auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abzustellen. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 04.04.2008 (VI R 68/05, BStBl II 2008, 890 und VI R 85/04, BStBl II 2008, 887) verwiesen. Diese Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 22.09.2010 (VI R 57/09, BFHE 231, 139, BFH/NV 2011, 349) nochmals bestätigt. Insbesondere hat er darin der Ansicht des Bundesministeriums der Finanzen widersprochen, das Gericht habe mit seinen zuvor genannten Entscheidungen die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. Der weiterhin geltende Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.10.2008 (IV C 5-2334/08/10010, BStBl I 2008, 961) bindet den erkennenden Senat nicht.
Die Nutzung des Dienstwagens für die einzelnen Fahrten ist je Entfernungskilometer mit 0,002 % des Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten.
Somit ergibt sich auf der Grundlage der unstreitig zwischen den Beteiligten feststehenden Anzahl von Fahrten, der Entfernungskilometer und der Bruttolistenpreise der genutzten Dienstwagen folgende Berechnung:
bis 31.07.2007:
41.700 EUR × 0,002 % × 3 km × 29 Fahrten =
72,59 EUR
ab 01.08.2007:
88.400 EUR × 0,002 % × 3 km × 24 Fahrten =
127,30 EUR
199,89 EUR
bisher:
666,00 EUR
Differenz:
466,11 EUR
Bruttoarbeitslohn bisher:
446.136,00 EUR
abzüglich
./. 466,11 EUR
= Bruttoarbeitslohn neu (auf volle EUR gerundet):
445.670,00 EUR
Die Berechnung des neu festzusetzenden Steuerbetrags war dem Beklagten ermessensgerecht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung aufzuerlegen, da die Ermittlung der festzusetzenden Beträge einen nicht unerheblichen Aufwand für das Gericht bedeuten würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war nicht gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die zu entscheidende Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung mehr hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 31.01.2011 VI B 130/10, n.v.).
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